Sorge dich nicht, Seele by Käßmann Margot

Sorge dich nicht, Seele by Käßmann Margot

Autor:Käßmann, Margot [Käßmann, Margot]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: adeo
veröffentlicht: 2016-08-03T08:15:16+00:00


Pflege

In letzter Zeit wird das Thema Pflege immer bewusster wahrgenommen. Sicher, wir haben eine Pflegeversicherung. Aber klar ist doch: Niemals wird eine Versicherung eine Pflege garantieren können, die so ist, wie wir sie uns wünschen: liebevoll, rundum versorgt, ohne das Gefühl, irgendjemandem zur Last zu fallen.

Viele Menschen haben große Angst davor, ein Pflegefall zu werden. Ich erinnere mich an ein Frühstück, zu dem mich der katholische Theologe Hans Küng eingeladen hatte. Wir haben – in altbewährter Weise gegenseitiger Wertschätzung – über die Frage der Sterbehilfe gestritten. Bei den ersten Anzeichen von Demenz, so Hans Küng, würde er sich das Leben nehmen. Aber warum nicht offen dafür sein, dass andere dich vielleicht sogar sehr gern, liebevoll und mit Respekt pflegen und begleiten wollen? Hieße das denn, für alle, die dement sind, gibt es kein sinnvolles Leben mehr?

Mir sind solche Gespräche wichtig. Natürlich ist es auch für mich keine großartige Aussicht, dement zu werden. Aber es ist ja auch eine Gnade, dass Menschen mit Demenz genau das nicht mehr wahrnehmen und relativ zufrieden leben. Wer will denn da urteilen, ob das ein gutes Leben ist oder nicht?

Die Demenz ist ein breites Krankheitsbild mit vielen verschiedenen Stadien. Mir ist bewusst, wie umstritten die Frage ist. Für die Seele sorgen heißt für mich auch, Menschen die Angst davor nehmen, dass sie eine Last sind. Gewiss, bei Hans Küng und vielen anderen ist die Befürchtung dominant, nicht mehr Herr oder Herrin seiner bzw. ihrer Sinne zu sein. Das verstehe ich auch. Aber hieße das nicht auch, dass Menschen, die geistig behindert sind, kein sinnvolles Leben leben? Es gibt da keine einfachen Antworten. Aber reden sollten wir darüber! Ich kann heute nicht sagen, wie es mir gehen wird, wenn Kontrollverlust einsetzt. Auch ich möchte nicht gern eine Last für andere sein. Aber ich würde gern anderen das Gefühl geben, dass sie keine Last, sondern dass wir froh sind, sie (noch) bei uns zu haben.

Vor Kurzem starb die Ehefrau eines Mitarbeiters meines Vaters. Wir haben telefoniert und ich war beeindruckt, wie Ehemann und Tochter sagten, es sei so gut gewesen, die Zeit für die Pflege zu haben, sie bei sich zu haben bis zuletzt. Da war eine Klarheit, dass es richtig gewesen war, ohne irgendwelche intellektuellen Debatten, sondern schlicht mit Lebensweisheit. Und mein Eindruck war, ihre Seelen hatten Frieden gefunden durch diesen Abschied, bei aller Trauer um den Verlust.

Allerdings wissen viele Angehörige nicht, wie sie die Pflege leisten sollen. Auch da ist die Seele belastet. Wie soll das gehen, wenn die Kinder weit weg wohnen, berufstätig sind, eigene Kinder erziehen müssen? Wie kann Würde gewahrt werden? – das ist meist die entscheidende Frage. Sicher, es werden Geschäfte gemacht mit Ganztagskräften aus Polen oder der Ukraine. Aber das geschieht mit einem schalen Gefühl und schlechtem Gewissen. Und es ist eben auch nicht die ideale Lösung.

Die eigenen Eltern alt und krank werden zu sehen, fällt vielen Menschen sehr schwer. Die Mutter, die immer Rat wusste, erkennt mich nicht mehr. Der Vater, der doch so stark war, als Held meiner Kindheit, er wird zunehmend hilfsbedürftig.



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